Das Phenakistiskop (griech. phenax = Täuscher und skopein = betrachten, wörtlich „Augentäuscher“) wurde durch den belgischen Physiker Joseph Antoine Ferdinand Plateau im Zusammenhang mit den von ihm durchgeführten Nachbildexperimenten anfang der 1830er Jahre entwickelt. 1833 wurden bereits die ersten Modelle des Phenakistiskop in London als Unterhaltungsmedium auf den Markt gebracht. Das Gerät wurde auch bekannt unter den Namen Phanakistiskop, Phantaskop, Wunderrad oder Lebensrad.
Funktionsweise
Auf einer drehbaren Scheibe sind Zeichnungen von Bewegungsphasen kreisförmig angeordnet. Zwischen den Zeichnungen befinden sich Schlitze. Die Scheibe wird in Drehung versetzt, der Betrachter blickt von hinten durch die Schlitze auf die in einem Spiegel sichtbaren Zeichnungen, die sich für ihn bewegen. Der Bewegungseindruck entsteht dadurch, dass der Wechsel zwischen Schlitz und Scheibe dem Auge jeweils ein neues Bild anstelle des alten präsentiert, was im Gehirn als Bewegung desselben Bildes interpretiert wird.
Es handelt sich dabei um die erste Anwendung des stroboskopischen Effektes zur Animation von gezeichneten Bildern; mit dem Phenakistiskop wurden auch die ersten errechneten Bilder animiert. Ein zweiter auftretender wichtiger Effekt ist die Nachbildwirkung des hellen Bildes gegenüber der Dunkelphase zwischen den Schlitzen, wodurch jene kaum noch bewusst wahrgenommen wird und ein fließender Übergang der Bilder ineinander entsteht. Die Wahrnehmung von Bewegung bei sich unterscheidenden Bildern, die direkt hintereinander gezeigt werden, nennt man Phi-Phänomen.
Unabhängig von Plateau entwickelte andere Wissenschaftler wie Simon Ritter von Stampfer und William George Horner, die sich ebenfalls mit optischen Phänomenen wie den Nachbildeffekten beschäftigten, ähnliche Apparate, die unter der Bezeichnung Stroboskop bzw. Zootrop bekannt wurden. Franz von Uchatius kombinierte das Phenakistiskop 1853 mit der Laterna magica zu einem Projektionsapparat. Diese Erfindung wurde wiederum durch Charles-Émile Reynaud 1877 mit dem Praxinoskop durch die Integration von Spiegeln und Beleuchtung weiterentwickelt. Weitere Verbesserungen gelangen Eadweard Muybridge 1879 mit dem Zoopraxiskop sowie Ottomar Anschütz 1884 mit dem Elektrotachyskop, bis schließlich Thomas Alva Edison 1892 den Kinetograph und das Kinetoskop vorstellte.
Medium zur Überprüfung von Bewegungsstudien
Zur Überprüfung der in den 1870er und 1880er Jahren durch empfindliche Photomaterialien und schnelle Kameraverschlüsse möglich gewordenen Aufnahmen bewegter Objekte war man auf das Medium „Phenakistiskop“ angewiesen. Die Korrektheit der auf den Einzelaufnahmen abgebildeten „unmöglich erscheinenden Stellungen“ wurde vielfach angezweifelt und konnte durch die Wahrnehmung nicht überprüft werden. Erst die Präsentation der Einzelbilder in der richtigen Reihenfolge und mit der richtigen Geschwindigkeit erbrachte den Beweis für die wissenschaftliche Relevanz der Chronofotografie.[1]
Wahrnehmungsphysiologie und Kinematografie
Filmhistoriker sehen im Phenakistiskop „die Urformen einer evolutionären technischen Entwicklung, die gegen das Ende Jahrhunderts zu einer einzigen vorherrschenden Form führen. Sie gelten vor allem als im Werden begriffene, noch unvollständige Vorläufer des Films.“[2]
Die Beschäftigung mit dem „Problem des Nachbildes und die Zeitlichkeit des subjektiven Sehens“ im 19. Jahrhundert, die in Europa zum Gegenstand der verschiedensten Wissenschaftszweige wurde, ist jedoch in einen größeren erkenntnistheoretischen Zusammenhang einzuordnen.[3]
Siehe auch
Weblinks
- Phenakistiskop. In: Filmbegriffslexikon, abgerufen am 29. Januar 2012
- Modell eines Phenakistiskops aus fischertechnik
Einzelnachweise
- Étienne-Jules Mare: Le Fusil photographique. In: La Nature. Revue des Sciences, Nr. 464/1882, S. 326–330
- Jonathan Crary: Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert. Dresden / Basel 1996, S. 113
- Jonathan Crary: Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert. Dresden / Basel 1996, S. 104 ff.
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